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25.04.2022

10. Sitzung

»Der Kreis stuft Akten ein, wie wir es so in Hessen noch nicht kannten«

In der neunten öffentlichen Sitzung des Hanau Untersuchungs­ausschusses im hessischen Landtag sagten Hanaus Oberbürgermeister Klaus Kaminsky und die erste Kreisbeigeordnete des Main-Kinzig-Kreises Susanne Simmler über das Wissen ihrer Behörden über den Täter aus. Da beide aber nur zu einem Beweisthema geladen wurden und nur dazu befragt werden durften, waren beide Befragungen extrem kurz und ohne relevante Erkenntnisse. Einzig eine Bemerkung eines Abgeordneten ließ aufhorchen, aus der sich schließen lässt, dass der Ausschuss anscheinend noch immer wichtige Unterlagen nicht bekommen hat.

Als erster Zeuge der Sitzung wurde Hanaus Oberbürgermeister (OB) Claus Kaminsky (SPD) befragt, er erschien mit einer Rechtsanwältin. Kaminsky ist seit 2003 OB von Hanau, zuvor war er bereits acht Jahre Bürgermeister der Stadt. In seinem Eingangsstatement sagte er, er habe in den vergangenen zwei Jahren versucht den Opferangehörigen beizustehen und dass er und alle städtischen Beschäftigten diesen Untersuchungs­ausschuss unterstützen würden in seinem Vorhaben, die Geschehnisse aufzuklären.

Der Ausschuss hatte Kaminsky nur zu der Frage geladen, welche Erkenntnisse der Stadt Hanau zum Täter des 19. Februar vorgelegen hätten. Kaminsky sagte hierzu in seiner Eingangsrede, er habe den Täter nie persönlich kennen gelernt, alles was er dazu sagen könnte, habe er durch Gespräche mit anderen erfahren, so z.B. mit der Polizei. Der Täter sei ein »unauffälliger Mitbürger« gewesen, der sich auch gegenüber der Polizei einsichtig verhalten habe. Am Tattag habe es noch Kontakt mit der Stadtpolizei gegeben, da der Täter falsch geparkt habe. Dabei habe er sich laut den Polizisten höflich verhalten. Außer zu vereinzelten Straßenverkehrsdelikten, wie Geschwindigkeitsüberschreitungen, habe der Stadt keinerlei Informationen über ihn vorgelegen. Weitere Kontakte städtischer Bediensteter zum Täter seien ihm nicht bekannt. Weder die städtischen Behörden noch die allermeisten Bürgerinnen und Bürger hätten sich diese Tat in Hanau vorstellen können.

Nach dieser Aussage folgten ein paar wenige Nachfragen der Abgeordneten, allerdings ohne neue Erkenntnisse. Danach wurde die öffentliche Vernehmung von Kaminsky nach wenigen Minuten beendet. Im Anschluss wurde er in nicht öffentlicher Sitzung zum Vater des Täters befragt.

Warum OB Kaminsky einzig dazu geladen war, welche Kenntnisse die Stadt vor dem Anschlag über den Täter hatte, ist unklar. Jedenfalls hätte man ihm bei einem Beweisantrag zu anderen Themen eine Reihe weiterer Fragen stellen können. Etwa wann er in der Tatnacht die Namen Opfer erfuhr – die Angehörigen erfuhren von dem Tod ihrer Familienmitglieder erst spät in der Nacht. Und auch Fragen zur Betreuung der Angehörigen am Tatort, was laut einem BKA-Beamten Aufgabe der nicht-polizeilichen Behörden sei, wäre ein wichtiges Thema gewesen. Ob Kaminsky zu einem späteren Zeitpunkt zu diesen Fragen nochmals mit einem neuen Beweisantrag geladen werden wird, ist unklar.

Befragung der Kreisbeigeordneten Simmler

Nach der nicht-öffentlichen Anhörung von Claus Kaminsky wurde die Erste Kreisbeigeordnete des Main-Kinzig-Kreises (MKK) Susanne Simmler befragt. Auch sie erschien in Begleitung eines Rechtsbeistands. Ihrer Aufsicht unterliegt das Amt für Sicherheit, Ordnung, Migration und Integration, in dem auch die Waffenbehörde des Kreises angesiedelt sei. Sie sei sehr froh, dass dieser Ausschuss zu Stande gekommen sei und hege große Hoffnungen in diesen. Dann verlas sie die Namen der Opfer des Anschlags und drückte den Angehörigen ihr Beileid aus. »Wir sind allen Opfern schuldig alles aufzuarbeiten«, so Simmler. Sie verbinde damit auch die Hoffnung, verloren gegangenes Vertrauen in die staatlichen Institutionen wieder herzustellen.

Zu Kenntnissen der Kreisbehörde zum Täter von Hanau sagte sie, in der Waffenbehörde gäbe es die Waffenbesitzkarte des Täters, dem Gesundheitsamt lägen zu ihm keine Informationen vor. Zu einem Bericht des Spiegels, wonach das Gesundheitsamt des MKK vom Gesundheitsamt in Bayreuth per Fax über die kurzzeitige psychiatrische Einweisung des Täters Anfang der 2000er informiert wurde, sagte Simmler, dieses Fax habe dem Gesundheitsamt MKK nie vorgelegen oder sei fristgerecht nach zehn Jahren vernichtet worden. Jedenfalls liege es dem Gesundheitsamt nicht vor.

Vor der anschließenden Befragung wies der Ausschussvorsitzende Michael Weiß daraufhin, dass das Thema Waffenbesitz des Täters an diesem Tag nicht behandelt werde, sondern in einer Sitzung am 13. Juni, zu der sie voraussichtlich erneut geladen wird.

In der Befragung wurden einige kurze Nachfragen gestellt, die Frau Simmler zumeist mit dem wiederholten Satz beantwortete, dem Gesundheitsamt MKK lägen keine Kenntnisse zum Täter vor. Zu der Löschfrist von Gesundheitsdaten gab sie sie an, dass für den sozialpsychiatrischen Dienst ein Erlass gelte, nachdem die Gesundheitsakten dort zehn Jahre aufzubewahren seien. Für Verwirrung sorgte, dass das o.g. Fax aus Bayreuth an ein Gesundheitsamt der Stadt Hanau geschickt worden sein soll, welches aber nicht existiert. Ob damit das Gesundheitsamt des Kreises gemeint war oder das Fax dieses nie erreichte, konnte in der Sitzung nicht geklärt werden.

Der spannendste Moment der Befragung war eine kurze Bemerkung des bisher im Ausschuss nicht gerade an Transparenz interessiert scheinenden Abgeordneten Müller (CDU). Er machte eine Bemerkung, dass der Ausschuss an Erkenntnissen gehindert sei, weil der Kreis Akten so einstufe, wie er es in Hessen bisher nicht kannte und bat Frau Simmler, darauf einmal hinzuweisen. Der Vorsitzende Weiß unterbrach an dieser Stelle und wies Müller daraufhin, dass diese Bemerkung dem widerspreche, worauf sie sich im Ausschuss geeinigt hätten, weswegen das Thema nicht weiter ausgeführt wurde. Aus Müllers Bemerkung lässt sich aber schließen, dass dem Ausschuss die Waffenakte des Täters vom MKK anscheinend noch immer nicht zur Verfügung gestellt wurde, was die Eingangsworte von Frau Simmler, dass verloren gegangenes Vertrauen in die Behörden wieder hergestellt werden müsse, in ein etwas anderes Licht setzt.

Auch Frau Simmler wurde im Anschluss in nicht-öffentlicher Sitzung zum Vater des Täters befragt. Die zwei sehr kurzen öffentlichen Befragungen der Sitzung endeten damit wenig erkenntnisreich.