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08.11.2021

Pressemitteilung

Hessische Landesregierung missachtet die Hinterbliebenen und Überlebenden des Attentats vom 19. Februar durch organisierte Verantwortungslosigkeit.

»Das gebrochene Versprechen nach schneller und unbürokratischer Unterstützung führt zu existenzieller Not.«

Die Landesregierung in Hessen missachtet ihr Versprechen einer unbürokratischen Hilfe durch einen von den demokratischen Parteien im Landtag nach langem Zögern im Mai 2021 beschlossenen »Opferfonds«. Ein halbes Jahr nach dem Beschluss für einen Opferfonds auf Landesebene und 21 Monate nach dem rassistischen Attentat von Hanau stehen die Familien von Ferhat Unvar, Gökhan Gültekin, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Sedat Gürbüz, Kaloyan Velkov, Vili Viorel Păun und Fatih Saraçoğlu sowie die Überlebenden des 19. Februar damit vor existenziellen Notlagen. Nachdem im Januar 2021 der Grundsatzbeschluss für den Hessischen Opferfond gefasst worden war, versicherten Vertreter*innen der Regierungsfraktionen im Mai und Juli, dass »schnell und ohne große Bürokratie« daraus an die Opferfamilien ausgezahlt werden solle. Doch bis heute haben die Familien der Opfer keine finanzielle Unterstützung aus Wiesbaden erhalten.

Alle Auskunftsersuchen der Initiative 19. Februar bei den verantwortlichen Politiker*innen, ob oder wann mit der hart erkämpften Unterstützungszahlung durch den Opferfonds zu rechnen ist, blieben bislang unbeantwortet. Ende September 2021 hat der Landtag zwar einen 11-köpfigen Beirat für den Opferfonds benannt, doch dieser hat offensichtlich seine Arbeit noch nicht aufgenommen. Mitglieder des Beirats erklärten, dass sie von der Hessischen Landesregierung über den Beginn ihrer Arbeit im Unklaren gelassen werden. Auch haben die Familien bislang keine Ansprechperson genannt bekommen. Parallel zu dieser Hinhaltetaktik müssen sich die Hinterbliebenen und Verletzten des Attentats den zermürbenden Befragungen des Landesversorgungsamtes zum Schweregrad der bleibenden Verletzungen durch das Attentat unterziehen.

Wie zermürbend die Auseinandersetzung mit dem Versorgungsamt ist, beschreibt Niculescu Păun Vater von Vili-Viorel Păun in einem Kommentar: »Ich führe so viele Kämpfe: ich muss für die Aufklärung kämpfen von Vili’s Tod. Für die Gesundheit meiner Frau. Und dann muss ich mich auch noch um so viel Bürokratie kümmern. Erst haben wir zumindest noch Krankengeld bekommen. Seit August kriegen meine Frau und ich auch kein Krankengeld mehr. Wir können beide nicht mehr arbeiten. Bis heute ist nicht klar, wer jetzt für uns zuständig ist. Seit August bekommt meine Frau, die Mutter von Vili, keinerlei Geld mehr.«

»Immer wieder hat die hessische Landesregierung seit dem verheerenden rassistischen Attentat am 19. Februar 2020 demonstriert, dass sie keinerlei Verantwortung übernehmen will. Diese organisierte Verantwortungslosigkeit ist eine Missachtung der Hinterbliebenen und Überlebenden«, kritisiert Newroz Duman von Initiative 19. Februar Hanau.

»Mit dieser Hinhaltetaktik ignoriert die Landesregierung aus CDU und Grünen auch die dringenden Empfehlungen Terrorismusopferbeauftragten der Bundesregierung für unbürokratische materielle Unterstützung durch die jeweiligen Bundesländer«, sagt Heike Kleffner vom VBRG e.V. . Dr. Edgar Franke hatte in seinem am 2. November 2021 vorgestellten Abschlussbericht den Zugang zu unbürokratischen Opferrenten und die Einrichtung von Opferfonds in den Ländern für dringend notwendig erklärt.

Die Initiative 19. Februar und der VBRG kritisierten bereits Anfang des Jahres die Weigerung des Landes Hessen einen eigenen Rechtsterrorismus-Opferfonds einzurichten, obwohl es in den vergangenen zwei Jahren in Hessen so viele Todesopfer rechtsterroristischer Gewalt gab wie in keinem anderen Bundesland.

Newroz Duman fasst zusammen: »Umso beschämender ist jetzt diese monatelange Verzögerung. Wir fordern die Verantwortlichen auf, ihre Versprechen endlich umzusetzen. Am 19. November werden 21 Monate seit der Tat vergangen sein, wahrlich lange genug, um die zugesagten finanziellen Überlebenshilfen endlich auszuzahlen.«

Es stellt sich auch die Frage, was mit den 2 Millionen Euro geschieht, die in den Haushalt des Jahres 2021 für den Opferfonds eingestellt wurden, sollte der Beirat bis zum Jahresende nicht arbeitsfähig und das Geld abrufbar sein.

Für weitere Informationen:

Newroz Duman, Initiative 19. Februar Hanau,

presse[at]19feb-hanau[.]org

Heike Kleffner, Geschäftsführerin des VBRG e.V., info@verband-brg.de, www.verband-brg.de