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Fragen rund um den Einsatz am Täterhaus

Dieser Text ist Teil einer Reihe von Einschätzungen der Initiative 19. Februar Hanau zum Untersuchungs­ausschuss im Hessischen Landtag. Die Artikelreihe versucht, einzelne Themenkomplexe aufzuarbeiten und einen Zwischenstand wiederzugeben - als Bausteine unserer eigenen Aufklärung.

In der Sitzung im Untersuchungs­ausschuss am 22.05.2023 wird es schwerpunktmäßig um den Polizei-Einsatz am Täterhaus in der Tatnacht gehen. Dieser wirft nach wie vor unzählige Fragen auf, von denen wir einige hier zusammenfassen.

Warum wird das Haus des Täters erst 5 Stunden nach der Tat durch das SEK gestürmt?

Um 22:04 erhält die Polizei durch einen Zeugen am ersten Tatort das Kennzeichen des Täters, um 22:49 trifft die erste Polizeistreife am Täterhaus ein und stellt kurz später den Wagen vor der Halteranschrift geparkt fest. Erst um 3:03 Uhr wird das Haus schlussendlich gestürmt. Der Täter hat in diesem Zeitraum seine Mutter im Wohnzimmer erschossen und tötete am Ende sich selbst.

Welche Kommunikations- und Kapazitätsprobleme gab es in den ersten Stunden nach der Tat innerhalb der eingesetzten polizeilichen Strukturen?

Wurde im Hinblick auf die offensichtliche »Großlage« eine entsprechende Leitstelle mit Sofortmaßnahmen eingerichtet? Oder wurde zwischen 22:00 Uhr und 01:00 Uhr nachts – wie es auch Familienangehörige an den Tatorten und bei der »Opferbetreuung« erlebten und bereits formulierten – vor allem improvisiert? War die Polizei in den ersten Stunden völlig überfordert und kam es auch deswegen zu vielen Fehlern und Versäumnissen?

Wie konnten die zur Überwachung des Täterhauses eingesetzten Polizeikräfte die drei Schüsse mit denen der Täter zunächst seine Mutter und dann sich selbst tötete nicht hören?

Angeblich sind ab 22:45 Uhr Polizeikräfte zur Überwachung des Täterhauses positioniert. Aus einem Schallexperiment von Forensic Architecture ergibt sich dass die Polizei das Täterhaus an Vorder- und Hintereingang nicht entsprechend umstellt haben kann, wenn die Eingesetzen Beamten die Schüsse nicht gehört haben.

Warum gab es offenbar eine Lücke von 2 Stunden in der Überwachung des Täterhauses? Warum wurde bei einem der schwersten rassistischen Anschläge der vergangenen Jahre 2 Stunden lang riskiert, dass der Täter aus dem Haus entkommen und weiter hätte morden können?

Eine Untersuchung von Forensic Architecture weist nach, dass es in der Überwachung sowohl des Vorder- als auch des Hintereingangs des Täterhauses massive Lücken gab.

Ab wann wurde an allem beteiligten Einsatzkräfte kommuniziert, dass von einem rassistischen Tatmotiv ausgegangen wird?

Warum wurde diese wichtige Information so zurückhaltend kommuniziert? Hat dieser Mangel an Informationen möglicherweise dazu beigetragen, dass sich die zur Überwachung des Täterhauses eingesetzten Beamten haben ablenken lassen und sich auf vermeintliche Rocker in der Umgebung konzentrierten und dafür die Überwachung des Täterhauses aufgaben?

Warum ist auch nach Eintreffen des SEK zwischen 23:27 und 00:25 Uhr das Täterhaus weiterhin nicht sicher umstellt?

Erst um 00:25 Uhr also eine Stunde nach eintreffen der ersten SEK-Beamten ist das Haus sicher umstellt. Zu Beginn des SEK Einsatzes laufen offenbar noch Fussgänger am Hintereingang des Hauses vorbei.

Welche Auswirkungen hatte es auf den Einsatz, dass 13 der 20 am Täterhaus eingesetzten SEK-Beamten später wegen Beteiligung an rechtsextremen Chats suspendiert wurden?

Der ehemalige Ministerpräsident Bouffier sagte nach deren Suspendierung laut hr, eine möglicherweise rechtsextreme Gesinnung sage aber noch nichts darüber aus, ob diese Männer ihren Einsatz als Polizisten richtig gemacht hätten. Welche Untersuchungen wurden seitens der Landesregierung angestellt, zu den möglichen Auswirkungen von deren Einstellung auf den Einsatz, die Grundlage der entsprechenden Aussage des damaligen Ministerpräsidenten wären?

Waren es Beamte des SEK, die die bewaffnete Kontrolle am Auto der Familienangehörigen von Mercedes Kierpacz am Kurt-Schumacher-Platz durchführten?

Die Angehörige von Mercedes Kierpacz warteten dort auf den Abschluss der Spurensicherung, um sich von ihrer Tochter/Schwester zu verabschieden. Sie wurden von bewaffneten Spezialeinheiten umstellt. Polizeichef Jürgen Fehler sprach im Untersuchungs­ausschuss von einer »robusten Polizeikontrolle«. Filip Goman beschreibt die Kontrolle detailliert in der »Kette des Versagens«. Der Sohn von Mercedes Kierpacz, Valentino Kierpacz trug dessen Erinnerungen an die Tatnacht in einer Videoaufnahme zur Kette des Versagens vor.

Waren an der Kontrolle der Familie Kierpacz/Goman rechtsextreme SEK-Beamte beteiligt?

Warum bekommt die Hubschrauberbesatzung nie die Adresse des Täterhauses mitgeteilt?

Von wem wurde die Hubschrauberbesatzung vom Funkverkehr abgehängt und aus welchem Grund? Wenn – wie Polizeichef Jürgen Fehler im UNA behauptete – der Hubschrauber absichtlich vom Täterhaus ferngehalten werden sollte, warum überflog dieser dann immer wieder zufällig das Täterhaus in geringer Höhe? Wäre es nicht – zumal die Einsatzkräfte am Boden offensichtlich die Eingangstür sowie den Garten nur für kurze Zeit oder gar nicht im Blick hatten – umso wichtiger gewesen, den Hubschrauber zur Überwachung des Täterhauses einzusetzen?

Warum wurde der Vater des Attentäters schnell als Mittäter ausgeschlossen? Hat der Vater in seinem Aussagen gelogen?

So behauptete er von 20:00-00:00 geschlafen zu haben und Schüsse nur von draußen gehört zu haben. Nachbar:innen haben ihn in der Zeit draußen gesehen. Nachweislich wurde die Webseite des Täters an einem Computer im Obergeschoss neben dem Schlafzimmer des Vaters abgerufen. Als das SEK das Haus stürmt finden sie ihn Schießbewegungen nachahmend im Treppenhaus/Flur des Hauses vor.

Warum weist die Methodik zur Feststellung der genauen Todeszeitpunkt am Täterhaus bei der Aufnahme des Tatorts Mängel auf?

Warum wurde die Leiche des Täters erst eine Stunde nach der Stürmung des Hauses im Keller aufgefunden? Warum wurde auf eine rechtzeitige Raumtemperaturmessung und Temperaturmessung an den Leichen von Frau R. und an der Leiche des Täters verzichtet? In der Folge lässt sich der Todeszeitpunkt im Obduktionsbericht nur sehr ungenau bestimmen und ist möglicherweise falsch. Die Ermordung der Mutter des Täters soll laut Obduktionsbericht frühestens um 00:54 Uhr und spätestens um 6:30 Uhr stattgefunden haben.

Wann und von wem wurde das Hubschrauber-Video als geheim eingestuft?

Das Hubschrauber-Video wurde dem Untersuchungs­ausschuss nicht vorgelegt. Warum wurden Disziplinarverfahren gegen die Piloten des Hubschraubers eingeleitet weswegen sie zunächst im Untersuchungs­ausschuss nicht aussagen dürften?