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Timeline der kollektiven Aktionen

  • 19.02.2020

    Zeitleiste kollektiver Aktionen

    Am 19. Februar 2020 wurden in Hanau, Deutschland, neun Menschen bei einem rassistischen Terroranschlag ermordet. Vor und während des Anschlags sowie in den Tagen, Wochen und Monaten danach ließen staatliche Behörden die Überlebenden und die Familien der Opfer wiederholt im Stich.

    Diese Zeitleiste erzählt die Geschichte des beinah dreijährigen Kampfes der Familien der Opfer, der Überlebenden des Anschlags sowie ihrer Verbündeten und Unterstützer*innen in der Initiative 19. Februar Hanau und darüber hinaus – ein Kampf um Erinnerung, Aufklärung, Gerechtigkeit und Konsequenzen.

    Wenn ein Verbrechen begangen wird, sichert die Polizei in der Regel den Tatort und leitet die Ermittlungen. Das ist der Prozess staatlicher Forensik. Doch wenn staatliche Behörden oder die Polizei direkt in eine Straftat verwickelt sind oder diese nicht verhindern konnten oder wollten, wird dieser Prozess unterbrochen, ohne dass es Gerechtigkeit für die Opfer gibt.

    In solchen Fällen ist es notwendig, dass die Zivilgesellschaft »die Kontrolle über die Beweismittel übernimmt«, unabhängige Ermittlungen durchführt und mit eigenen Ressourcen und nach eigenen Möglichkeiten öffentlichen Druck ausübt. Diese Zeittafel zeigt, wie die Angehörigen und die Initiative 19. Februar Hanau mit unterschiedlichen Partnern zusammenarbeiten, um ihre Forderungen in verschiedenen Foren zur Geltung zu bringen: in rechtlichen, politischen und kulturellen Räumen, in der Zivilgesellschaft und in den Medien.

    Diese Antwort der Zivilgesellschaft – zu der auch diese Ausstellung gehört – ist ein offener, niemals abge-schlossener, sondern sich stetig entwickelnder Prozess. Die Ausstellung hat das Ziel, neue Öffentlichkeiten mit den realen Erfahrungen, dem verkörperten Wissen, dem Engagement und der Beharrlichkeit der Betroffenen rassistischer Gewalt ins Gespräch zu bringen. Den Betroffenen und ihren Unterstützer*innen in ihren Ermittlungen innovative Untersuchungsmethoden an die Hand zu geben, bezeichnen wir als »Gegen-Forensik«.

    Die Zeitleiste von Forensic Architecture, auf deren Grundlage diese Online-Version erstellt wurde, kann hier als PDF-Datei heruntergeladen werden.

  • 20.02.2020

    Das Versagen der Behörden in den Tagen nach dem Anschlag

    Keine der Familien kann ihre Angehörigen vor Durchführung der Autopsien sehen. In einigen Obduktionsberichten wurde behauptet, dass sie nicht erreichbar gewesen seien oder bereits angehört wurden. Tatsächlich dauert es mehrere Tage, bis die Behörden viele der Angehörigen kontaktiert haben. Die Familie von Kaloyan Velkov erfährt erst hinterher, dass eine Autopsie durchgeführt worden ist. Obwohl Kaloyan Velkovs Adresse auf einer Karte in seiner Brieftasche steht, die bei seiner Leiche gefunden wurde, wird seine Familie erst am 24. Februar kontaktiert. Vili-Viorel Păun wurde in seinem Auto ermordet. Das Auto war auf die Adresse der Familie Păun zugelassen, außerdem hatte Vili einen Ausweis bei sich. Die Familie wird von den Behörden trotzdem nicht informiert, sie wendet sich am 20.02.2020 mittags selbst an die Polizei und wird nach Mitteilung über den Tod wieder nach Hause geschickt. Im Rahmen der Akteneinsicht stellt Nicu Păun fest, dass der Autopsiebericht auf seinen eigenen Namen anstatt auf den seines Sohnes ausgestellt ist. Als die Familie Kurtović den Autopsiebericht für ihren Sohn Hamza erhält, wird sein Aussehen als »orientalisch« beschrieben. Die Familie hatte keine Möglichkeit, gegen die Autopsie Einspruch zu erheben oder Hamzas Leichnam gemäß der islamischen Tradition zu waschen.

    Dunkelblond, blauäugig, hellhäutig ist für die: »orientalisch-südländisch«. Von einem Rassisten getötet, und der Rassismus geht weiter.

    Armin Kurtović, Vater des ermordeten Hamza Kurtović

    Cetin Gültekin wäscht seinen Bruder. Keiner bereitete ihn auf den Zustand des Körpers seines Bruders nach der Obduktion vor. In der Tatnacht, bei den Obduktionen sowie in den Tagen danach:

    Wir Angehörige wurden wie rechtlose Objekte der staatlichen Ermittlungen behandelt. Das war für mich wie ein »zweiter Anschlag«.

    Çetin Gültekin, Bruder des ermordeten Gökhan Gültekin

  • 20.–23.02.2020

    Trauer, Wut und Widerstand

    Es ist ein loser Kreis von Aktivist*innen, der sich nach der Mordnacht sofort versammelt hat. Entsetzt, fassungslos, wütend über die rassistischen Morde in Hanau. Zwischen autonomen Zentrum in der Metzgerstrasse und den Räumen im Gewerkschaftshaus jagt ein Treffen das nächste. Aktive aus dem Initiativenbündnis »Solidarität statt Spaltung« und Menschen, die sich neu angeschlossen haben und unbedingt helfen wollen. Dazu erfahrene Freund*innen aus bundesweiten Netzwerken wie We’ll Come United und Tribunal NSU-Komplex auflösen, die sofort aus Berlin, Hamburg und Frankfurt nach Hanau kommen.

    Am Donnerstag, 20.2., hat die Stadt Hanau am frühen Abend zur Trauerkundgebung aufgerufen, neben dem Oberbürgermeister redet der Bundes präsident sowie der hessische Ministerpräsident. Mehrere Tausend Menschen versammeln sich auf dem Marktplatz. Bouffier bekommt Zwischenrufe und Pfiffe zu hören.

    Am Freitag, 21.2., dann das erste selbstorganisierte Gedenken und Pressekonferenz am Heumarkt, dem ersten Tatort. Es folgt eine Demonstration nach Kesselstadt und eine weitere Trauerkundgebung am Kurt-Schumacher-Platz, dem zweiten Tatort. Erstmals werden alle bis dahin bekannten Namen der Opfer voller Wut und Trauer zusammen gesagt oder geschrien.

    Für den nächsten Tag, den 22. Februar, wird kurzfristig zu einer bundesweiten Demonstration aufgerufen. Aus einem der Aufrufe: »Wir fordern die solidarische Gesellschaft auf, mit uns für die Unversehrtheit unseres Lebens und unseren Zusammenlebens zu demonstrieren und uns dafür stark zu machen, dass den Nazis und Rassist*innen das Handwerk gelegt wird. (…) Wir sagen aber auch, dass uns der Rassismus nicht vertreiben wird, sondern wir diese Gesellschaft für immer geprägt und verändert haben. Für eine migrantische, jüdische, Schwarze Perspektive. Für die Gesellschaft der Vielen. Das Problem heißt nicht Migration, das Problem heißt Rassismus.« Die Redebeiträge auf der Kundgebung sind von Wut und Trauer geprägt, »MigrAntifa jetzt« ein verbreiteter Slogan der Demonstration, an der sich über 6000 Menschen beteiligen.

    Am Sonntag, 23. Februar, findet eine ähnlich große Demonstration statt, zu der unterschiedliche Moschee-Vereine aufgerufen haben.

    In zahlreichen Städten gibt es in diesen Tagen Mahnwachen, Kundgebungen und Demonstrationen zu Hanau.

  • 19.03.2020

    Gedenken und Erinnern an jedem 19. eines Monats

    Am 19. März 2020, einen Monat nach der Tat, findet ein erstes gemeinsames Gedenken in unmittelbarer Nähe des zweiten Tatortes statt. Seitdem wird an jedem 19. eines Monats an die Opfer erinnert: auf den Friedhöfen, an den Tatorten, im ersten Jahr auch am Gebrüder Grimm Denkmal auf dem Hanauer Freiheitsplatz.

    Bereits im Mai 2020 errichtet die Initiative 19. Februar Hanau am Heumarkt sowie am Kurt-Schumacher Platz zwei Gedenkstelen mit den Fotos der neun Opfer. Seit September 2020 hat auch die Stadt Hanau Gedenktafeln an beiden Tatorten angebracht.

    Regelmäßiges Gedenken in unterschiedlichen Formen – manchmal im kleinsten Kreis, manchmal mit gemeinsam Tausenden – ist und bleibt für die Angehörigen und Freund*innen ein wichtiges kollektives Moment, um die Erinnerung an ihre Liebsten aufrecht zu erhalten.

  • 05.05.2020

    Offizielle Eröffnung der Anlaufstelle der Initiative 19. Februar Hanau

    Dass die Namen der Opfer nicht vergessen werden. Dass wir uns nicht allein lassen. Dass es nicht bei folgenloser Betroffenheit bleibt. Die Kameras und Politiker*innen verlassen jetzt wieder die Stadt. Wir bleiben. Wir gründen eine Initiative, um der Solidarität und den Forderungen nach Aufklärung und politischen Konsequenzen einen dauerhaften Ort zu geben.

    Es sind die 140m², in denen die Tür von morgens bis abends offen steht, in die die Mütter und Väter, Brüder und Schwestern, Töchter und Söhne der am 19. Februar Ermordeten zusammenkommen und ihren Schmerz ohne Worte teilen können… Es sind die 140m², in denen wir uns organisieren und wichtige Schritte planen und auf diese gemeinsam vorbereiten.

    Initiative 19. Februar Hanau

    In den Tagen und Wochen nach den Morden entsteht die Initiative als Unterstützung der Betroffenen, doch innerhalb kurzer Zeit entwickelt sich ein gemeinsamer und fließender Prozess zwischen Angehörigen, Überlebenden und Unterstützer*innen. Bereits Ende März wird in unmittelbarer Nähe des ersten Tatortes eine Anlaufstelle eingerichtet – ein sozialer Raum, um gemeinsam zu trauern und zu weinen. Um zu reden und zu beraten. Um sich gegenseitig zu versichern, dass es keine Ruhe geben würde, bis alles aufgeklärt sei und diese Mordtat Konsequenzen hat.

    #Saytheirnames steht als Botschaft des Gedenkens in großer Leuchtschrift über dem Laden, der nun seit über 2 Jahren jeden Tag geöffnet ist. Er ist zum lebendigen Ort der Erinnerung geworden und zum Ort des Organisierens, rund um die vier gemeinsam erarbeiteten Forderungen nach Erinnerung, Gerechtigkeit, Aufklärung und Konsequenzen.

    Die Initiative 19. Februar Hanau entsteht mit sehr viel Unterstützung aus anderen Städten und antirassistischen Netzwerken. Dass es möglich war, nur 4 Wochen nach dem Anschlag einen Laden als Anlaufstelle anzumieten, ohne die Finanzierung zuvor zu sichern, liegt auch an dieser, bis heute andauernden Unterstützung von sehr vielen Menschen, weit über die Hanauer Stadtgrenzen hinaus.

    In die Initiative fließen die Erfahrungen und Reflexionen von Aktivist*innen und Initiativen ein, die sich seit vielen Jahre für ein würdiges Erinnern einsetzen und gegen rechte, rassistische und antisemitische Gewalt kämpfen.

  • 14.05.2020

    Angehörige besuchen die Sondersitzung im Hessischen Landtag und sprechen zum ersten Mal mit Medienvertreter*innen

    Am 14. Mai 2020 findet im Hessischen Landtag eine Sitzung des Innenausschusses statt, für die Die Linke einen Dringlichkeitsantrag zum »Umgang mit Opfern, Angehörigen und offenen Fragen nach dem rassistischen Anschlag in Hanau vom 19. Februar 2020« eingereicht hatte. Familienangehörige äußern ihr Interesse, dabei anwesend zu sein, doch zunächst heißt es, dass dies wegen der Corona-Einschränkungen nicht möglich sei. Deshalb wird von der Initiative 19. Februar Hanau eine erste Protestkundgebung außerhalb des Gebäudes ange meldet. Überraschend lädt der Landtagspräsident Boris Rhein die Familien einen Tag vorher offiziell in den Landtag ein, und sie können der Sitzung per Video in einem Extra-Raum folgen.

    Es wäre für Innenminister Peter Beuth an diesem Tag einfach, offensichtliche Versäumnisse in und nach der Tatnacht einzuräumen, sich zu entschuldigen sowie eine kritische Aufarbeitung anzubieten. Stattdessen verliest er einen Text, in dem er mit keinem Wort auf Fehler der eingesetzten Beamten eingeht und insbesondere die Betreuung der Opfer in höchsten Tönen lobt.

    Die gemeinsam nach Wiesbaden angereisten Angehörigen und Überlebenden sind geschockt von dieser Ignoranz und Arroganz. Der Bericht von Beuth hat mit der Realität und dem, was sie am und nach dem 19. Februar selbst erleben mussten, nicht das Geringste zu tun.

    Nach der Sitzung geben Angehörige und Unterstützer*innen der Presse entsprechende Interviews. Niculescu Păun, der erst am Vortag das Handy seines ermordeten Sohnes zurückerhalten hat, präsentiert den Journalist*innen hier erstmals die nicht durchgegangenen Notrufe.

    Der 14. Mai wird – nachträglich gesehen – zum Auftakt für die immer stärker werdende Öffentlichkeitsarbeit der Angehörigen und Überlebenden, die in den kommenden Wochen und Monaten die Verantwortlichen in Politik und Behörden immer wieder unter Druck setzt und zu wesentlichen Ein- und Zugeständnissen zwingt.

  • 22.08.2020

    Nach abgesagter Demonstration – Kundgebung und Livestream der Betroffenen

    Angehörige der Opfer des 19. Februar, Überlebende und Initiativen hatten dazu aufgerufen, am 22. August 2020 nach Hanau zu kommen. Die über mehrere Wochen geplante Demonstration wird wegen ansteigender Corona-Zahlen am Vorabend vom Hanauer Oberbürgermeister verboten, Angehörige und die Initiative entscheiden sich daraufhin für die Absage. Aber die Kundgebung der Angehörigen und Überlebenden, findet dennoch statt: mit maximal 250 Teilnehmer*innen.

    Es ist zunächst enttäuschend, dass eine erfolgreiche Mobilisierung mit bis zu 10.000 erwarteten Teilnehmer*innen wegen Corona so zusammengeschrumpft wird. Doch wortwörtlich über Nacht werden von der Initiative 19. Februar Hanau mit großer regionaler und bundesweiter Unterstützung ein Livestream eingerichtet und eine spontane Online-Mobilisierung in Gang gebracht. Mit Erfolg: Hunderttausende in vielen Städten folgen auf Bildschirmen und in public screenings den 20 Reden der Betroffenen.

    Den Betroffenen allein gehört die Bühne, sie selbst bringen zur Sprache, wo Behörden und Polizei vor und in der Tatnacht versagt hatten, zusammen mit solidarischen Beiträgen von Betroffenen rassistischer und antisemitischer Gewalt aus Mölln, Halle und Wächtersbach. Die Statements sind eine erste öffentlichen Anklage und bringen den gewachsenen Selbstorganisierungsprozess der Betroffenen in Hanau zum Ausdruck.

  • 19.09.2020

    Gedenkkreuz zur Ehrung von Vili-Viorel Păun

    »Vili-Viorel Păun hat alles richtig gemacht, … wie er in diesen Minuten agiert hat, war er für mich ein Held in dieser Nacht. Wir brauchen Menschen wie ihn…« Mit diesen Worten weiht der Oberbürgermeister der Stadt Hanau, Claus Kaminsky, am 19. September 2020, dem Tag der Zivilcourage und genau sieben Monate nach den Morden von Hanau, ein Gedenkkreuz ein. Es befindet sich am zweiten Tatort, wenige Meter von der Stelle entfernt, wo Vili am 19.2.20 in seinem Auto erschossen wurde.

    Die Eltern von Vili hatten seit Mitte Mai 2020 öffentlich angeklagt, dass ihr Sohn in der Tatnacht mehrfach den Notruf der Polizei angerufen, aber nicht durchgekommen war. Erst im Januar 2021 – nach entsprechenden Meldungen in den Medien – räumt Innenminister Beuth erstmals »Probleme beim Notruf« ein, es dauert weitere Monate, bis das ganze Ausmaß der technischen Defizite und der personellen Unterbesetzung bekannt wird.

    Niemand der politisch und polizeilich Verantwortlichen hat sich bislang dafür bei den Eltern entschuldigt. Noch im gesamten Jahr 2020 wurde gar versucht, das Notruf-Desaster unter den Teppich zu kehren. Umso bedeutender ist im September 2020 – neben der Einweihung der Gedenktafeln für alle neun Opfer – die zeitnahe Errichtung des Ehrenkreuzes für Vili durch die Stadt Hanau.

    Im Mai 2021 stellt die Stadt am gleichen Platz einen zusätzlichen Gedenkstein mit folgender Inschrift auf: »Vili-Viorel Păun hatte den Attentäter des 19. Februar 2020 auf eigene Faust verfolgt, um ihn aufzuhalten. Er versuchte zwischen 21.57 und 21.59 Uhr mehrmals vergeblich, einen Notruf bei der Polizei abzusetzen. Vili-Viorel Păun bezahlte an dieser Stelle seine Zivilcourage mit dem Leben«.

  • 06.10.2020

    Zusammen erinnern, gemeinsam kämpfen – Vernetzung mit anderen Opferinitiativen

    Schon am 22.Februar 2020 sprachen auf der Kundgebung in Hanau wenige Tage nach dem Anschlag Angehörige und Aktivist*innen von Betroffenen-Initiativen.

    Es gab immer wieder Besuche von anderen Betroffenen-Initiativen im Laden und Austausch zwischen den Betroffenen. Angehörige aus Hanau besuchten Gedenkveranstaltungen in Halle/Berlin, Hamburg, Köln, München, Mölln, Duisburg.

    Im Gedenken an

    • Döndü S., Zeliha T., Rasim T., Songül S., Ümit S., Çiğdem S., Tarık T.
    • Ramazan A.
    • Bahide A., Yeliz A. , Ayşe Y.
    • Selçuk K., Sabine S., Armela S., Can L., Sevda D., Hüseyin D., Roberto R., Guiliano K., Dijamant Z.
    • Atilla Ö.
    • Jana L., Kevin S.
  • 31.10.2020

    Hamza-Kurtović-Preis wird ausgerufen

    Die Familie von Hamza Kurtović ruft einen nach ihm benannten Preis ins Leben. In 14 Kategorien werden Einzelpersonen und Organisationen für ihren Einsatz gegen Rassismus geehrt. Schirmherr ist Bundeskanzler Olaf Scholz.

    Der Preis wird am 29.03.2022 zum ersten Mal verliehen. Im Congress Park Hanau gedenken 250 Gäste Hamza Kurtović in Reden und Filmbeiträgen.

    Er hat sich immer für Benachteiligte und Schwächere eingesetzt, so gut er konnte. Finanziell, oder auch körperlich wenn es sein musste. Und das war mein Sohn. Und da werden wir weiter machen.

    Armin Kurtović, Vater von Hamza Kurtović

  • 14.11.2020

    Gründung der Bildungsinitiative Ferhat Unvar

    An Ferhats Geburtstag, dem 14. November 2020, wird die Bildungsinitiative Ferhat Unvar von seiner Mutter Serpil Temiz Unvar ins Leben gerufen. Serpil möchte mit der Gründung der Bildungsinitiative allen Kindern, Jugendlichen, jungen Erwachsenen und deren Eltern, die rassistische Erfahrungen im Alltag oder in der Schule machen, eine Anlaufstelle bieten. Mit dieser Arbeit möchte Serpil das Gedenken an ihren Sohn Ferhat aufrechterhalten. Die Bildungsinitiative wird von der Familie Unvar, Jugendlichen, engagierten Erwachsenen, sowie Freund*innen von Ferhat getragen. Gemeinsam setzen sie sich aktiv gegen Alltags- und institutionellen Rassismus ein. Die Initiative steht für einen Raum der Aufklärung, des Zusammenhalts, der Bildung und für ein friedliches Zusammenleben mit einer Vielfalt an Religionen, Kulturen und Nationalitäten.

    Ich will nicht, dass andere Mütter ihren Kindern sagen müssen, dass sie mehr arbeiten müssen als deutsche Kinder.

    Serpil Temiz Unvar, Mutter von Ferhat
  • 15.12.2020

    Der Vater des Täters: eine tickende Zeitbombe?

    »Vater des Attentäters stellt rassistische Anzeigen – und fordert Tatwaffen zurück« - unter diesem Titel veröffentlichte der Spiegel am 15.12.2020 einen Artikel, in dem enthüllt wurde, was Polizei und Behörden seit Monaten wussten, aber was sie selbst den Angehörigen und Überlebenden des Anschlags verschwiegen hatten. »Wie aus Unterlagen hervorgeht, die dem SPIEGEL vorliegen, fordert der Mann, dass sämtliche Gedenkstätten, die an die Opfer erinnern, entfernt werden, da er darin »Volks-verhetzung« sehe. Auch fordert [der Vater] die Tatwaffen und Munition seines Sohnes zurück und verlangt, dass dessen Internetseite wieder freigeschaltet wird.«

    Spontan wurde vom Hanauer Jugendbündnis eine Protestkundgebung am Freiheitsplatz – in der Nähe der Hanauer Polizeistation – organisiert. Die zentrale Botschaft lautete: »Wir warten nicht auf den nächsten Anschlag!« Filip Goman, der Vater von Mercedes Kierpacz, sagte in der Hessenschau: »Der Vater scheint eine tickende Zeitbombe zu sein.«

    Am 28.12. meldete die Initiative 19. Februar Hanau eine Mahnwache in den Nähe des Täterhauses an. Unter Beteiligung einiger Nachbar*innen wurden in mehreren Redebeiträgen die verantwortlichen Polizeidienststellen in Hanau und Offenbach dafür kritisiert, dass sie die Gefahr nicht ernst genommen hatten. Von den Behörden wurde gefordert, verstärkte Ermittlungen zu einer möglichen Mitschuld des Vaters am Terroranschlag aufzunehmen.

    Der Vater des Täters versuchte in dreister Weise, die Kundgebung zu stören. Dass er die Teilnehmer*innen später als »wilde Fremde« bezeichnete, trug schließlich zu einer Anzeige wegen einer Reihe von Beleidigungen bei, für die er im Oktober 2021 vom Hanauer Amtsgericht zu einer Geldstrafe verurteilt wurde.

    Nachdem der Vater damals aus der psychiatrischen Behandlung entlassen wurde, bekamen wir, ich, die Überlebenden und Angehörigen Gefährderansprachen. Wir sollten uns dem Vater ja nicht nähern, sonst habe das schwere Konsequenzen für uns. Jetzt frage ich mich, wer hier in Deutschland eigentlich wen schützt? Warum haben wir keine Gefährdeten!-Ansprachen bekommen? Warum hat uns die Polizei nicht gesagt, dass von diesem Mann eine Gefahr ausgeht?

    Piter Minnemann, ein Überlebender
  • 13.02.2021

    Die Aneignung der Medien

    Die Öffentlichkeitsarbeit spielt von Anfang an eine sehr zentrale Rolle. Es wird schnell klar, dass Druck auf die politisch Verantwortlichen vor allem über die Medien möglich ist. Mehr und mehr Angehörige und Überlebende beginnen öffentlich zu sprechen und Aufklärung und Konsequenzen zu fordern.

    Mitglieder aller Familien und Überlebende haben bereits im ersten Jahr ein Kontaktnetz zu Journalist*innen geknüpft. Das öffentliche Interesse war in den Wochen vor dem Jahrestag wieder besonders groß. Wichtig waren und sind die Journalist*innen, die mit Sensibilität und Interesse von Anfang an dran geblieben sind. Die Kette behördlichen Versagens vor, in und noch nach der Tatnacht wird immer offensichtlicher. Die Angehörigen hatten selbst recherchiert und erreicht, dass darüber geredet und geschrieben wird.

    Waffenerlaubnisse ohne Zuverlässigkeitsprüfung, ein verschlossener Notausgang, ein nicht funktionierendes und unterbesetztes Notrufsystem. Dazu der polizeiliche Umgang mit den Überlebenden und Angehörigen in der Tatnacht, der gleichermaßen von Überforderung und Rassismus geprägt war.

    Darüber haben viele Betroffene trotz des Schmerzes um den Verlust kontinuierlich berichtet und das Erlebte sichtbar gemacht. In Tageszeitungen und Magazinen, im Fernsehen und Radio auf allen wichtigen Kanälen. Kurz vor dem Jahrestag gelingt es damit, den Druck auf Politik und Behörden massiv zu steigern. Selbst der Hanauer Oberbürgermeister fordert schließlich den Rücktritt des hessischen Innenministers. Die Forderung nach lückenloser Aufklärung ist unüberhörbar.

  • 14.02.2021

    Die Kette des Versagens

    Fünf Tage vor dem ersten Jahrestag des rassistischen Terroranschlags präsentierten – nach einem Grußwort von Esther Bejarano – zwölf Angehörige, Überlebende und Freund*innen der Opfer in einer gemeinsamen Videobotschaft einen Zwischenstand der eigenen Ermittlungen: die Kette des Versagens. Aufgelistet und erläutert werden darin offene Fragen und offensichtliche Fehler und Versäumnisse vor, in und nach der Tatnacht.

    Aus der Einleitung:

    Teil 1: Vor dem Anschlag: Warum hat der Täter Waffenbesitzkarten erhalten? Warum reagierten die Staatsanwaltschaften nicht auf seine Anzeigen? Warum wurden frühere bewaffnete Vorfälle in Hanau-Kesselstadt nicht aufgeklärt? Damit verbunden ist die wichtigste Frage: Hätten die neun Morde am 19. Februar 2020 verhindert werden können?

    Teil 2: In der Tatnacht. Entgegen der offiziellen Darstellungen, nach denen Polizei- und Rettungseinsätze wie auch Begleitung und Betreuung der Betroffenen nahezu optimal gelaufen seien, offenbart sich im realen polizeilich-behördlichen Vorgehen eine Mischung aus Überforderung, Ignoranz bis hin zu rassistischen Verhaltensweisen. Dazu kommt zumindest technisches Versagen bei der Erreichbarkeit der Hanauer Notrufnummern sowie unklare Abläufe beim Polizeieinsatz am Wohnhaus des Attentäters.

    Teil 3: Das Versagen in den Tagen, Wochen und Monaten nach dem Anschlag. Das beginnt beim Umgang mit den Angehörigen bezüglich der Obduktionen der Opfer, geht weiter mit Gefährderansprachen, als der Vater des Täters zurückkehrt.

    Teil 4: Der Vater. Vor dem Anschlag, in der Tatnacht und bis heute. Die Unfähig keit oder Unwilligkeit der Behörden, angemessen mit rassistischen Anzeigen, Verhöhnungen und sogar Morddrohungen des Vaters des Täters umzugehen.

    Im letzten Teil formulieren wir Forderungen – als Konsequenzen, von denen wir auch ein Jahr nach dem 19. Februar 2020 nahezu nichts sehen können.

    Politiker reden von einer »Zäsur nach Hanau”, doch mit warmen Worte und leeren Versprechungen wird sich nichts verändern. Nur eine kritische und schonungslose Aufarbeitung mit konkreten Konsequenzen in der Praxis könnte zukünftig rassistische Mordtaten verhindern. »Wir wollen alles tun, damit sich der 19. Februar 2020 nie mehr wiederholt«, sagen alle Angehörigen der Opfer und Überlebende gemeinsam. Mit Anklagen und öffentlichem Druck fortzufahren, ist unser einziger Weg, um die Hanauer Morde zu einem wirklichen Einschnitt zu machen und damit eine »Zäsur von unten« zu erzwingen…

  • 19.02.2021

    Der erste Jahrestag

    »Ein Jahr nach dem rassistischen Anschlag: Wir klagen an. – Wir fordern: Erinnerung, Gerechtigkeit, Aufklärung, Konsequenzen – Wir trauern und erinnern– Wir sind sichtbar und unsere Stimmen sind überall zu hören – Erinnern heißt verändern.« Die Initiative 19. Februar hat sechs Plakatmotive mit diesen Texten sowie den Namen und Gesichtern der Opfer in Druck gegeben und sie in den Tagen vor dem 19.2.21 tausendfach aufgehängt und verklebt. Zum Jahrestag sind diese Plakate im Hanauer Stadtbild unübersehbar, zudem sind für diesen Gedenktag alle Straßennamen zwischen den beiden Tatorten umbenannt und den neun Opfern gewidmet.

    Im Laufe des Tages werden an der Gedenkstele, die die Initiative am Heumarkt errichtet hatte, unzählige Kränze niedergelegt, unterschiedliche Organisationen halten hier Gedenkkundgebungen ab.

    Nach wie vor eingeschränkt wegen Corona kommen am Nachmittag ca. 2500 Menschen zur Kundgebung und anschließenden lautstarken Demonstration auf dem Hanauer Freiheitsplatz zusammen. Das lokale Jugendbündnis hatte aufgerufen, Angehörige und Überlebende sprechen. Aksu, ein Freund mehrerer der Ermordeten, präsentiert sein kurz zuvor veröffentlichtes Lied »Wo wart Ihr?«, das zur Erinnerungshymne dieses Tages wird. Am späteren Abend zur Tatzeit versammeln sich nochmals Hunderte von Menschen an den beiden Tatorten: mit Kerzenmeer, mit #saytheirnames, mit Andachten und Schweigeminuten für die neun Ermordeten.

    Eine Audiofile mit den »Stimmen aus Hanau« und dem obengenannten Lied wurde in vielen der bis zu 150 Städte abgespielt, in denen an diesen Tag parallele Gedenkaktionen und Demonstrationen stattfinden.

    Den ganzen Tag über erreichten uns Nachrichten aus vielen, vielen Städten, in denen Menschen auf der Straße waren. Es waren sehr berührende Bilder, Momente des Zusammenkommens, der Trauer und der Wut, die uns Mut machen, dass sich wirklich etwas verändern kann. Danke, dass Ihr alle da seid und Eure Kämpfe mit unseren verbindet. …Dass mehr und mehr Menschen selbst aktiv werden und ihre eigenen Geschichten erzählen. Um dem strukturellen Rassismus etwas entgegenzusetzen, müssen wir viele sein. Wir dürfen nicht aufhören mit einem Jahrestag. Wir haben noch einen langen Weg vor uns. Danke an alle, die diesen Weg gemeinsam mit uns gehen.

    Initiative 19. Februar Hanau
  • 10.06.2021

    Auflösung einer Einheit des SEK Hessen, die am Einsatz in Hanau beteiligt war

    Innenminister Beuth löst eine in Frankfurt stationierte Einheit des hessischen SEKs auf, nachdem bekannt wird, dass über 18 Mitglieder einer Chatgruppe angehören, in der sie rassistische und rechtsextreme Nachrichten austauschen.

    Tage später bestätigt Beuth auf Druck der Familien und der Initiative, dass 13 der 18 wegen ihrer Beiträge in rechtsextremen Chatgruppen suspendierten Beamten am Tag der Tat in Hanau im Dienst waren, während ein rechtsradikaler Extremist neun Menschen aus rassistischen Motiven ermordete.

    Berichten zufolge wurde oder wird zum Zeitpunkt der Auflösung der SEK-Einheit gegen fast 100 Beamte der hessischen Polizei wegen ihrer rechtsextremen Verbindungen oder Sympathien ermittelt.

  • 25.06.–16.12.2021

    Einstellung von Ermittlungen durch Hanauer Staatsanwaltschaft und Generalbundesanwalt

    Die Staatsanwaltschaft Hanau beschließt, die Ermittlungen zu einer möglichen Nichterreichbarkeit des polizeilichen Notrufes in der Tatnacht einzustellen. Die Staatsanwaltschaft gibt an, dass die Beamten in dieser Nacht »alle im Rahmen ihrer dienstlichen Vorgaben« gehandelt hätten.

    Die Erklärung der Staatsanwaltschaft weigert sich auch, eine Verbindung zwischen dem Versagen des Notrufsystems und dem Tod von Vili-Viorel Păun, der bei der Verfolgung des Täters in seinem Auto dreimal erfolglos den Notruf gewählt hatte, zu ziehen. Der Staatsanwalt schreibt, dass Vili »sich der Gefahr bewusst war, den Täter zu verfolgen, und es trotzdem getan hat. Damit wird angedeutet, dass dieses heroische Handeln belegt, dass Vili selbst nach einem erfolgreichen Notruf weiter sein Leben riskiert hätte. Daher ist laut der Staatsanwaltschaft »nicht sicher, ob der Organisationsfehler der Grund für den Tod von Vili-Viorel Păun ist«.

    Wenn mein Sohn den Notruf hätte erreichen könne, dann wäre er noch am Leben. Daran ändert sich auch nichts mit dem langen Papier von der Staatsanwaltschaft. Das sagt nur, dass hier wieder mal keiner die Verantwortung übernehmen will.

    Niculescu Păun

    In diesem Sommer stellt die gleiche Behörde auch die Ermittlung zum Notausgang der Arena Bar ein. In ihrer Erklärung erkennt die Staatsanwaltschaft zwar an, dass die ersten Beamten am Tatort zwar angegeben hatten, dass der Notausgang verschlossen war, aber fügte hinzu, dass sie sich nicht mehr erinnern konnten, wer von ihnen versucht hatte, ihn zu öffnen, und dass es so oder so »nicht möglich mit Sicherheit zu sagen sei«, ob die Opfer durch einen unverschlossenen Notausgang hätten entkommen können.

    Im Dezember wird auch die Untersuchung des Generalbundesanwalt – auch zur Frage, ob der Vater des Täters an der Tat beteiligt war – eingestellt.

  • 15.07.2021

    Initiative 19. Februar Hanau und Anwält*innen der Familien beauftragen Forensic Architecture/Forensis

    Forensic Architecture/Forensis wird gebeten, eine Reihe von Fragen im Zusammenhang mit dem Anschlag zu untersuchen, einschließlich der möglichen Rolle des Vaters und des Polizeieinsatzes.

    Gleichzeitig erhält Forensic Architecture/Forensis im Auftrag der Anwälte der Familie Gültekin Einsicht in die Akten, die zu diesem Zeitpunkt rechtlich geschützte Dokumente sind.

    Es ist das zweite Mal, dass Forensic Architecture von einer antirassistischen »Initiative« aus Hessen beauftragt wird. Vorher hatte die Agentur in Zusammenarbeit mit der Initiative 6. April den Mord an Halit Yozgat 2006 durch den NSU untersucht. Auch in diesem Fall sprach die Familie des Opfers und ihre Unterstützer*innen von Versagen durch die Polizei und Politik von Hessen.

    Forensic Architecture/Forensis, die Initiative und der Frankfurter Kunstverein führen im November 2021 in Hanau ein »Klangexperiment« durch.

  • 19. & 20.08.2021

    Kämpfe um Anerkennung und Gedenken

    Über ein Jahr lang kämpfen Emis und Salahettin Gürbüz um ein Ehrengrab und eine Gedenkstele für Sedat in Dietzenbach. Sie haben unzählige Briefe an den Bundespräsident, den Bundesinnenminister, den hessischen Ministerpräsidenten und die Bürgermeister von Hanau und Dietzenbach geschrieben.

    Bei der entscheidenden Stadtverordnetensitzung begleiten viele andere Angehörige und Freund*innen von Sedat sowie viele Aktive aus Dietzenbach und Hanau die Familie. Die Familien hatten sich bereits im Oktober 2020 an die politisch Verantwortlichen gewendet und gefordert, Sedat so wie ihre Kinder in Hanau ein Ehrengrab und eine Gedenkstele bekommen sollte.

    Angemessene Erinnerung ist eine wichtige Grundlage für Veränderung in dieser Gesellschaft. Sie kann der Anfang sein für eine Stadt, die sich gegen Rassismus einsetzt und in der alle Bürgerinnen und Bürger die gleichen Rechte haben.

    Aus dem Brief der Familien von Oktober 2020

    Am 19. August 2021 wird dann endlich die Gedenkstele am Roten Platz in Dietzenbach errichtet.

    Einen Tag später, am 20. August, wird von der Stadt Erlensee zusammen mit Kaloyans Cousine Vaska Zlateva eine Gedenktafel für Kaloyan Velkov in seinem Wohnort Erlensee eingeweiht. Vaska Zlateva sorgte bereits zuvor gemeinsam mit Kaloyans Familie und seinem Sohn sowie dem dortigen Bürgermeister für ein würdiges Gedenken an Kaloyan in seinem Heimatort Mazdra in Bulgarien.

  • 12/2020–12/2021

    Der lange Kampf um den Opferfond

    Am 3. Dezember 2020 haben der Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e.V. (VBRG), Bildungsstätte Anne Frank und die Initiative 19. Februar Hanau hessische Abgeordnete der SPD, der Grünen und der Linken eingeladen, um online erstmals über die Notwendigkeit eines Hilfsfonds für Opfer rechter Gewalt zu diskutieren. Zugeschaltet sind grüne und linke Abgeordnete aus Thüringen, die dort 2018 einen Opferfond ins Leben gerufen hatten: mit einer unbürokratischen Auszahlung von 100.000 Euro an jede Opferfamilie des NSU. Angeregt wird, diesem Beispiel für Hanau zu folgen.

    Ohne jede Rücksprache wird am 13. Januar 2021 von einer Parteienkoalition aus CDU, Grünen, SPD und FDP ein Opferfond öffentlich angekündigt, in dem das Wort Rassismus nicht auftaucht. Zwar werden zwei Millionen Euro veranschlagt, doch mit dem Hinweis auf Hanau, dem Anschlag in Volkmarsen sowie sonstigen Opfern von Gewalttaten wird eine inakzeptable Opferkonkurrenz aufgemacht. Gleichzeitig verbreitet Innenminister Beuth Falschinformationen, indem er Projektgelder für Hanau als Hilfen für die Familien deklariert. Stattdessen haben die Hanauer Familien auch im zweiten Jahr nach den Morden noch keinen Cent aus Wiesbaden bekommen.

    Mit Unterstützung von Campact wird eine Unterschriftenkampagne gestartet, die am 8. Juni 2021 im Landtag mit 53.000 Unterschriften übergeben wird. Es wird angemahnt, dass sich die prekäre Situation der Familien mit dem Auslaufen der Krankengelder ab August 2021 weiter zuspitzen würde. Einen Monat später kündigen die für den Opferfond verantwortlichen Politiker an, dass jetzt eine unbürokratisch und schnelle Verfahrensweise in Gang gebracht und die Opferfamilien aus Hanau in besonderer Weise finanzielle Unterstützung erhalten würden.

    Doch entgegen dieser Zusage wird das Antragsgremium erst zwei Monate später gebildet. Die Krankengelder sind da mittlerweile bei einigen Angehörigen ausgelaufen und das sogenannte Opferentschädigungsgesetz entpuppt sich als bürokratisches Monster, das zudem – selbst wenn geringe Summen endlich bewilligt wurden – kein Leben in Würde ermöglicht. Es sollte noch bis Anfang Dezember 2021 dauern – fast 20 Monate nach der Tat – bis den Familien endlich finanzielle Hilfen vom Land ausgezahlt werden. Ein langer Weg und letztlich doch auch ein kleiner Erfolg im Kampf um Gerechtigkeit.

    Der Täter von Hanau sah sich gesellschaftlich legitimiert, als er aus einer rassistischen Ideologie heraus neun Menschen tötete – dem gilt es ein klares politisches Signal gegen rechten Terror entgegenzusetzen. Die Landespolitik muss sich glaubhaft solidarisch an die Seite der Betroffenen rassistischer Gewalt stellen, statt sie in eine unwürdige Opferkonkurrenz zu Betroffenen sämtlicher Straftaten zu zwingen. Die Betroffenen des Anschlags von Hanau erwarten von der Landesregierung, dass sie endlich Verantwortung übernimmt.

    Initiative 19. Februar Hanau
  • 03.12.2021

    Beginn des Untersuchungs­ausschusses im Wiesbadener Landtag

    Als die Familien im Sommer 2020 erstmals einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss (U-Ausschuss) für Hanau forderten, hatten selbst wohlgesonnene Parteienvertreter*innen abgewunken. Dazu gebe es zu wenig Belege für Behördenversagen und das hessische Parlament sei sowieso überfordert. Ein Jahr später, am 7. Juli 2021 stimmen in Wiesbaden alle Fraktionen außer der AfD für die Einrichtung des UNA für Hanau. Sogar Innenminister Beuth muss seine Unterstützung zusagen. Diese veränderte Situation ist alleine dem öffentlichen Druck zu verdanken, den die Familien und Überlebenden in den Medien und auf Kundgebungen entfacht haben.

    Die zehn zentralen Fragen für den UNA werden von der hessischen SPD in enger Absprache mit den Familien, Anwält*innen und der Initiative 19. Februar erarbeitet. Und gegen den Widerstand der Regierungskoalition wird durchgesetzt, dass die Angehörigen als Erstes gehört werden – ein Novum in der Geschichte der Untersuchungsausschüsse.

    An den vier ersten öffentlichen Terminen am 3., 17., und 20. Dezember 2021 sowie am 21. Januar 2022 legen insgesamt elf Angehörige und Überlebende ihr Zeugnis ab: Vaska Zlateva, Hayrettin Saraçoğlu, Diana Sokoli, Emis Gürbüz, Niculescu Păun, Saida Hashemi, Etris Hashemi, Armin Kurtović, Aziz Kurtović, Cetin Gültekin, und Serpil Temiz Unvar.

    Die anwesenden Abgeordneten und Zuschauer*innen im Wiesbadener Landtag – und über die Medien auch die weitere Öffentlichkeit – können sich ein gleichermaßen umfassendes wie erschütterndes Bild vom Versagen der Behörden und der Polizei vor, in und nach der Tatnacht des 19.02.2020 in Hanau machen.

    Zudem haben Angehörige und Überlebende das erste Gutachten von FA/Forensis in die Beweisaufnahme eingebracht: eine Video-Rekonstruktion zum zweiten Tatort, die belegt, dass für fünf Personen in der Arena-Bar, von denen zwei ermordet und zwei schwer verletzt wurden, die Zeit ausgereicht hätte, durch den Notausgang zu fliehen – wenn dieser denn offen gewesen wäre.

    Wenn der Notausgang nicht verschlossen gewesen wäre, hätten wir eine Chance gehabt, dem Täter zu entkommen.

    Said Etris Hashemi, Überlebender
  • 19.02.2022

    Zweiter Jahrestag des Anschlags

    Der Tag beginnt mit einer offiziellen Gedenkaktion auf dem Hauptfriedhof, mit Reden von OB Kaminsky, Ministerpräsident Bouffier und Bundesinnenministerin Faeser. Danach sprechen die Angehörigen, die bereits vorab ihre Kritik geäußert hatten: »Wir werden am Samstag nicht mit allen, die wollen, gemeinsam auf dem Hanauer Friedhof sein können. Viele, die sonst an jedem 19. an unserer Seite sind, bleiben durch die Auflagen des Landes Hessen ausgeschlossen. Wer eingeladen wird und wer nicht, das haben wir, die Familienangehörigen, nicht entscheiden können.«

    Neben vielen anderen Familienangehörigen spricht Valentino Kierpacz auf der offiziellen Gedenkfeier am Hauptfriedhof:

    Ich bin Valentino, der Sohn von Mercedes Kierpacz.

    104 Wochen sind seit dem 19. Februar 2020 vergangen.

    104 Wochen ohne meine Mutter.

    Ich möchte mich heute bei allen Menschen bedanken, die in ganz Deutschland und anderen Ländern auf die Straße gehen und gedenken.

    Nur weil so viele zusammen kommen, wird meine Mutter nicht vergessen werden.

    Schade, dass nicht alle, die uns unterstützen heute da sein dürfen.

    Mir und meiner Schwester wurde von heute auf morgen meine Mutter weggenommen. Das hätte verhindert werden können!

    Das hat meine Familie komplett zerstört – meine Oma, meinen Opa, meine ganze Familie. Am Anfang stand ich unter Schock. Jetzt realisiere ich jeden Tag aufs Neue ein bisschen mehr, dass sie nicht mehr da ist.

    104 Wochen nach dem 19. Februar 2020 hat sich nichts verändert. Ich frage mich, wie lange das noch so weitergeht.

    Ich möchte keine schönen Worte mehr hören.

    Ich möchte, dass wir in Zukunft konkret unterstützt werden.

    Ich habe keine Kraft mehr alle Probleme zu benennen.

    Initiative 19. Februar Hanau

    Am Nachmittag folgt dann die Demonstration, die das lokale Jugendbündnis organisiert hatte und an der sich über 3.000 Menschen beteiligten. Zur Auftaktkundgebung um 16.00 Uhr bietet der Hanauer Freiheitsplatz bereits ein beeindruckendes Bild: Hunderte von Plakaten mit den Gesichtern der Ermordeten bilden eine regelrechte Wand gegen das Vergessen.

    Zum Tatzeitpunkt, am späteren Abend zwischen 21.45 und 22.45 Uhr, versammeln sich schließlich wieder Hunderte an den beiden Tatorten, um der Ermordeten zu gedenken.

    In über 100 Städten gibt es zum 2. Jahrestag gleichzeitige Gedenk- und Solidaritätsaktionen

    Heute ist der 19. Februar in Hanau. Und die Erinnerung ist kein wenig verblasst. Es gab in den vielen Reden auf dem Marktplatz und auf den Friedhöfen in Hanau, Offenbach und Dietzenbach eine deutliche Botschaft: Sonntagsreden und symbolischen Gesten gibt es viele, aber reichen tun sie nicht. Die Angehörigen haben heute erneut deutlich gemacht, dass sich mit Schaufensterpolitik niemand abspeisen lässt.

    Es gab so viele Anschläge, nach denen die Hinterbliebenen vergeblich darauf warteten, dass die Politik ihnen Aufmerksamkeit schenkt, die Hinterbliebenen hört und Tatorte besucht. Das alles gehört in Hanau zwar mittlerweile zum Alltag und doch ist viel zu wenig geschehen. Wenn die Verantwortlichen glauben, dass sie dieses Mal mit ihren Besuchen darüber hinwegtäuschen können, dass sich nichts ändert, haben sie sich getäuscht.

    Initiative 19. Februar Hanau
  • 19.05.2022

    Noch kein Mahnmal in Hanau

  • 27. & 28.05.2022

    Bundesweite Vernetzung der Betroffenen-Initiativen und Forderungspapier aus Hanau

    Ende Mai 2022 lädt die Initiative 19. Februar Hanau mehrere Initiativen von Betroffenen rechter Anschläge aus anderen Städten zu einem Treffen in Hanau ein. Aus Berlin, Halle, Köln, Duisburg und München kommen Angehörige, Überlebende und Unterstützer*innen zusammen, um ihre Erfahrungen zum Gedenken und Erinnern, aber auch zu den Forderungen nach Aufklärung und Konsequenzen auszutauschen.

    Gleich eine Woche später sehen sich viele in Nürnberg wieder, denn dort findet das Tribunal »NSU-Komplex auflösen« statt. Mit bis zu 500 Teilnehmer*innen ist diese mittlerweile vierte Konferenz sehr gut besucht. Bei den zwei zentralen Plenarveranstaltungen im Staatstheater sitzen Angehörige und Überlebende aus verschiedenen Städten gemeinsam auf der Bühne.

    Nach den bewegenden und eindringlichen Reden der Betroffenen gibt es Standing Ovations von den dicht besetzten Rängen: eine sehr ermutigende Veranstaltung, die der Vernetzung und Selbstorganisierung der unterschiedlichen Angehörigen-Gruppen weitere wichtige Impulse gibt.

    Angehörige und Überlebende aus Hanau haben sich in den vergangenen 2 1/2 Jahren immer wieder an Gedenkaktionen und Veranstaltungen in anderen Städten beteiligt – und umgekehrt kommen Betroffene aus diesen Städten nach Hanau. Daraus ist ein freundschaftliches Netzwerk entstanden, das sich zum Ziel gesetzt hat, in den kommenden Monaten gemeinsame Forderungen zu entwickeln.

  • 02.06.–11.09.2022

    Ausstellung »Three Doors«

    Vom 2. Juni bis zum 11. September 2022 ist die Ausstellung »Three Doors« zuerst in Frankfurt zu sehen, als Kooperationsprojekt von Forensic Architecture/Forensis, dem Frankfurter Kunstverein, der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh und der Initiative 19. Februar Hanau. Ein Teil der Ausstellung befasst sich mit der Tür der Polizeizelle in Dessau, in der Oury Jalloh verbrannt wurde. Zwei der »Drei Türen« sind den Geschehnissen in Hanau am 19. und 20. Februar 2020 gewidmet: dem verschlossenen Notausgang am zweiten Tatort, und der Eingangstür des Täterhauses, die nicht bzw. viel zu spät von der Polizei überwacht wurde.

    Die Eröffnung der Ausstellung erfolgt am 2. Juni 2022 mit einem medialen Paukenschlag. »Das Hanau-Desaster« formuliert die Frankfurter Rundschau auf ihrer Titelseite, vom Spiegel bis zum Hanauer Anzeiger wird ausführlich über die neuen Recherchen der unabhängigen Ermittlungsagentur berichtet. Im Mittelpunkt der Rekonstruktion des polizeilichen Versagens in Hanau steht das Täterhaus, das offensichtlich viel zu spät umstellt wurde, was dem Täter Gelegenheit zur Flucht gegeben hätte. In einem 29-minütigen Video präsentiert Forensic Architecture ihre aufwändigen Untersuchungen zur Lautstärke der Schüsse des Täters, die belegen, dass der Vater des Täters in seinen Aussagen gelogen hat und die Polizei nicht dort postiert war, wo sie hätte sein müssen. Besondere öffentliche Aufmerksamkeit findet die Dokumentation und Auswertung der Flug- und Funkdaten des Polizeihubschraubers, der in der Nacht vom 19. auf den 20. Februar 2020 über Hanau und Kesselstadt mit einer Nachtsichtkamera im Einsatz war. Eindrücklich wird enthüllt, dass die zwei Piloten gar nicht über die Adresse des Täters informiert wurden, sondern im Blindflug und Kommunikationschaos über Hanau unterwegs waren. »Nur« ein weiteres Element in der Kette des Versagens, das bisher von den Behörden verheimlicht wurde?

    In mehreren Führungen führen Angehörige und Überlebende aus Hanau die Besucher*innen durch die Räume mit den Rekonstruktionen, Zeittafeln und Videoinstallationen. Mit der Ausstellung hat der Kunstverein Frankfurt der zivilgesellschaftlichen Kritik am Polizeiversagen in Hanau und dem Kampf der Familien um Aufklärung eine weitere bedeutende öffentliche Bühne geboten.

  • 18.07.2022

    Thema im Untersuchungsausschuss: Notrufversagen

    Vier Zeug*innen der Polizei werden im Untersuchungsausschuss (UNA) zum Notrufversagen in Hanau am 19. Februar 2020 vernommen. Es ist das erste Mal, dass eine der Sitzungen im hessischen Landtag tatsächlich neue Erkenntnisse bringt. Denn zum Erstaunen aller Anwesenden sagen die zwei in der Tatnacht für den Notruf eingesetzten Polizeibeamt*innen aus, erst Monate nach der Tat erfahren zu haben, dass nicht angenommene Notrufe nicht weitergeleitet wurden. Das bedeutet, dass die Beamt*innen in der Hanauer Polizei niemals wirklich in die vorhandene Technik eingewiesen bzw. über deren technische Einschränkungen informiert wurden. Sie sind einfach davon ausgegangen, dass, wenn ein Notruftelefon klingelt und sie wegen Überlastung nicht antworten können, der Anruf an eine andere Polizeistation weitergeleitet wird. Dass dies nicht der Fall war und die Anrufversuche – wie die von Vili Viorel Păun – im Nichts landeten, ist bereits ein Skandal. Dass selbst die eingesetzten Polizist*innen das viele Jahre nicht wussten, macht nur noch fassungslos.

    Als Skandal im Skandal erscheint, dass die Verantwortlichen im Polizeiapparat, nämlich der Chef der Hanauer Polizei und sogar der hessische Polizeipräsident Ullmann, nach eigenen Aussagen vom 18. Juli 2022 ebenfalls nichts vom fehlenden Notrufüberlauf gewusst haben wollen. Ullmann war jahrelang der Leiter des Polizeipräsidiums von Südosthessen, dem Hanau unterstellt ist. Er hatte selbst abgesegnet, dass wegen der Verzögerungen beim Bau des neuen Präsidiums in Offenbach die Hanauer Station von der Zentralisierung des Notrufs ausgenommen blieb. Und dann will er von den konkreten technischen Folgen und der fehlenden Weiterleitung nichts gewusst haben?

    Die Abgeordneten aller Parteien im Untersuchungsausschuss – mit Ausnahme der CDU – zeigen sich empört und sprechen zum Teil direkt aus, dass sie Ullmann das nicht glauben würden. Zudem wird deutlich, dass auf keiner Ebene der Polizeibehörden dieses unfassbare Organisationsversagen nachträglich aufgearbeitet worden ist. Dass 200.000 Menschen des Altkreises Hanau wissentlich dem jahrelangen Risiko eines in seiner Funktion eingeschränkten Notrufs ausgesetzt wurden, sollte offensichtlich unter den Teppich gekehrt werden. Dabei wiederholt sich ein Muster der hessischen Zustände: Verantwortliche der Sicherheitsbehörden behaupten entgegen aller Tatsachen, dass alles gut gelaufen sei oder von Missständen nichts gewusst zu haben.

    Roland Ullmann wird noch im September 2022 ohne ernannten Nachfolger in den »Ruhestand verabschiedet«, offensichtlich um ihn damit so schnell wie möglich aus der öffentlichen Schusslinie zu nehmen.

  • 26.08.2022

    Konstantin Wecker im Hanauer Amphitheater

    Bei seinem Live-Auftritt in Hanau am 26. August 2022 gedenkt Konstantin Wecker mit der aktuellsten Variante seines »Willy-Lieds« Vili Viorel Păun und den acht weiteren Opfern des rassistischen Anschlags von Hanau. Nach dem Lied begrüßt und umarmt er den Vater Niculescu Păun, was die über 1200 Besucher*innen mit Standing Ovations erwidern: ein berührender und beeindruckender Moment der Solidarität.

  • 05.09.2022

    Thema im Untersuchungsausschuss: Verschlossener Notausgang

    Bereits in der UNA-Sitzung vom 5. September 2022 bestätigten zwei in der Tatnacht eingesetzte Polizeibeamt*innen, dass der Notausgang in der Arena-Bar verschlossen war. Am 26.09.22 machte Piter Minnemann, der den Mordanschlag in Kesselstadt mit viel Glück unverletzt überlebt hatte, seine Aussage vor dem Ausschuss. Er berichtet, wie er kurz vor der Tat noch selbst versucht hatte, den Raum durch die Tür des Notausgangs zu verlassen, um eine Pizza zu holen. Doch sie war verschlossen. Als der Täter im Eingang erschien, mussten er und seine vier Freunde deshalb in den hinteren Teil des Raumes ausweichen und saßen dort in der Falle. Piter macht noch einmal klar, dass sie alle fünf hätten entkommen können, wenn der Notausgang offen gewesen wäre. Zudem zeichnet er nochmals eindrücklich nach, wie er nach der Tat von den herbeigerufenen Polizisten zunächst ignoriert und später zu Fuß zur über drei Kilometer entfernten Polizeistation geschickt wurde – obwohl der Täter noch nicht gefasst war.

    Am 14.10.22 wird Robert Trafford von Forensic Architecture vor den UNA geladen. Dem Ausschuss wird das Video von FA zur Arena Bar vorgeführt. Trafford kritisiert die Begründung der Staatsanwalt zur Einstellung der Untersuchung des Notausgangs.

    Die Staatsanwaltschaft Hanau hatte sich bereits nach den ersten Aussagen der Polizisten festgelegt und erklärt, dass sie nach wie vor keinen Grund sieht, das im August 2021 eingestellte Ermittlungsverfahren wieder zu eröffnen.

  • 26.09.2022

    Georg Leber Preis für Zivilcourage

    Zum Auftakt ihres 23. Gewerkschaftstages in Kassel verleiht die IG BAU der Initiative 19. Februar Hanau den Georg-Leber-Preis für Zivilcourage. Angehörige der Opfer des Anschlags nehmen den Preis unter dem Applaus der rund 500 Delegierten und Funktionäre der Gewerkschaft entgegen.

  • 04.11.–30.12.2022

    Ausstellung »Three Doors« im HKW Berlin

    Die zweite Station von »Three Doors« ist das Haus der Kulturen der Welt in Berlin. Dort, nur wenige Hundert Meter vom Bundestag entfernt, ist die Ausstellung vom 4. November bis zum 30. Dezember 2022 zu sehen.

    Angehörige der Opfer, und Mitgleider der Initiative 19. Februar Hanau, reisen jedes Wochenende nach Berlin, um zusammen mit FA/Forensis durch die Ausstellung zu führen. Die Verknüpfung der Untersuchungsergebnisse von FA/Forensis mit den gelebten Erfahrungen der Angehörigen und Überlebenden beeindruckt die Besucher*innen, darunter auch Politiker*innen.

    Nachdem »Three Doors« in Frankfurt am Main und Berlin in bedeutenden Galerien zu sehen war, folgen Einladungen aus ganz Deutschland, um die Ausstellungen auch in anderen Städten zu zeigen.

  • 02.12.2022

    Forensic Architecture/Forensis erneut vor dem Untersuchungsausschuss

    Robert Trafford soll ein zweites Mal vor dem UNA aussagen. Zum zweiten Termin ist geplant, dass sich der Ausschuss die Ermittlung von FA/Forensis zum Polizeieinsatz ansieht. Die öffentliche Anhörung dauert jedoch nur wenige Minuten, da Mitglieder des UNA in letzter Minute »juristische Bedenken« zum Video anmelden. Sie drehen sich um die verwendeten Aufnahmen des Polizeihubschraubers. Der Ausschussvorsitzende gibt zu bedenken, dass diese Aufnahmen laut Generalbundesanwalt offiziell »Verschlusssache« seien und ihre Aufführung in der Anhörung deswegen eine Straftat darstellen könnte. Dabei ist das Video von FA schon seit sechs Monaten in Galerien und online zu sehen.

    Daher wird die Anhörung vertagt, bis eine Erlaubnis vom Generalbundesanwalt eingeholt werden kann, die Aufnahmen des Polizeihubschraubers aufzuführen. Auf Fragen von FA/Forensis und der Familien der Opfer, warum diese Bedenken nicht schon früher angebracht wurden, kann niemand vom UNA eine klare Antwort geben.

    Die Angehörigen, von denen einige weite Strecken gereist sind, um der Anhörung beizuwohnen, fragen, ob es sich dabei um eine absichtliche Verzögerungstaktik oder einfach Inkompetenz handelt. Beide Erklärungen sind nicht hinnehmbar. Der UNA kündigt an, die Anhörung neu zu terminieren. Aber die Zeit wird knapp, denn der Ausschuss ist nur bis Mai 2023 angesetzt.